chirurgische/orthopädische Therapie

Autor

Univ.Prof. Dr. Axel Wanivenhaus

Universitätsklinik für Orthopädie
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
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EINLEITUNG

Auf Grund der nur lokalen Wirksamkeit operativen Vorgehens steht die operative Therapie, bis auf seltene rheumachirurgische "Notfälle", an zweiter Stelle nach der konservativen Therapie. Das rasche Ansprechen moderner Basistherapien ermöglicht rasch das Erkennen persistenter Synovitiden und die erforderliche Lokalbehandlung; in letzter Konsequenz die OP. Der kausale Zugang zur Erkrankung mit Entfernung des Pannus durch Synovektomie und/oder Wiederherstellung der Gelenksfunktion durch Endoprothesen ermöglicht eine vom Gesamtkrankheitsverlauf unabhängige Therapie, die in der Regel durch Schmerzreduktion die Medikation erleichtert und präventiv angewandt Sehnen- und Gelenksdestruktionen vermeiden hilft. Der rekonstruktive Eingriff kann Mobilität und Funktion wieder herstellen.

OPERATIONSARTEN

Die RA führt im Rahmen ihrer Krankheitsaktivität zu Veränderungen an Gelenken, Sehnen und Schleimbeuteln, so daß die orthopädisch-chirurgische Behandlung diese Bereiche umfaßt. Die Operationen sind stark von der Pathologie und Mechanik der Veränderungen geprägt und können in präventive und rekonstruktive Operationen gegliedert werden.
Diese Eingriffe sind mit Begleitmaßnahmen verbunden, die Sehnenrekonstruktionen, Bursektomien, Nervendekompression und Tenosynovektomien umfassen (siehe Tab.1). 

EINGRIFFE AN DER UNTEREN EXTREMITÄT

Gerade die belastete UE erfordert eine frühe Wiederherstellung, um die Mobilität zu erhalten.

Hüftgelenk

Die Synovektomie ist an der Hüfte nicht mehr indiziert. Die guten Resultate nach Endoprothesen an Knie- und Hüftgelenk führen verstärkt zu deren Einsatz. Die spezifischen Probleme des RA-Patienten - wie durch massive Cortison-Therapie oder Inaktivität induzierte Osteoporose oder beträchtliche Gelenksdestruktion mit Pfannenbodenzerstörung - können durch Verwendung zementfreier Endoprothesen und primärer Spongiosaplastik gelöst werden. Das Infekt- und Lockerungsrisiko dieser Patientengruppe ist allerdings erhöht.

Kniegelenk

Die Synoviorthese hat für Patienten ohne wesentliche Gelenksdestruktionen (Röntgenstadium: Larsen 0-2 bei einer Skala bis 5) heute vor allem im Kniegelenksbereich Berechtigung und sollte bei Pannusbildung immer mit einer arthroskopischen Synovektomie kombiniert werden. Diese bietet postoperativ frühe Mobilisierung und für den Patienten subjektiv geringe Invasivität. Bei fortgeschritteneren Destruktionen ist die Knieendoprothese früh angezeigt, um eine weitere entzündungsbedingte Seitenbanddestruktion des meist auftretenden Valgusknies zu verhindern. Bei bestehender Bandinstabilität ist trotz verfeinerter OP- und Implantat-Technik beim RA-Patienten ein achsgeführtes Implantat erforderlich.

Rückfuß 

Das obere Sprunggelenk kann heute auch bereits in zufriedenstellender Weise mit einem Kunstgelenk versorgt werden. Allerdings ist die Langzeitprognose in Hinblick auf Lockerung noch ungewiss, und das erhöhte Infektrisiko ist auch in diesem Bereich gegeben. Die absolute Indikation besteht bei beidseitigem und bei gleichzeitigem Befall der Kniegelenke, um Transferbelastungen auf Nachbargelenke eines versteiften Gelenkes zu minimieren. Die Alternative ist auch hier die Synoviorthese und die Synovektomie - allerdings meist offen - da auch die Sehnenlogen im Bereich des medialen und lateralen Malleolus durch Tenosynovektomie Berücksichtigung finden sollten. Die arthroskopische Synovektomie stellt sich für die Arthrodese des oberen Sprunggelenkes ohne Fehlstellung als Verfahren dar, das eine raschere Fusionszeit als offene Verfahren aufweist und damit eine notwendige Entlastung reduziert. 
Die frühe Arthrodese des unteren Sprunggelenkes und/oder des Talonavikulargelenkes kann das Auftreten des gefürchteten rheumatischen Plattfußes verhindern.

Vorfuß

Der Vorfuß ist vor allem im Bereich der Metatarsalköpfchen schmerzhaft und stellte bis vor kurzem eine Domäne für die Resektion der Metatarsalköpfchen dar. Die starke Verkürzung und progrediente Verformung des Fußes postoperativ hat zu einem Umdenken in Richtung Stabilität und Erhalt von Knochenlänge geführt. Eine Alternative stellt die Arthrodese des Großzehengrundgelenkes verbunden mit Verkürzungsosteotomien der Metatarsale 2-5 unter Erhalt der Metatarsalköpfchen (auch bei Teilzerstörung) dar. Auf Grund der Massivität der Destruktion kann der Rückzug auf die Resektionsarthroplastik notwendig sein. Isolierte Hammer- oder Krallenzehenbildungen können durch einfache begleitende Resektionsarthroplastiken der PIP Gelenke Behandlung finden.

EINGRIFFE AN DER OBEREN EXTREMITÄT

Die Therapie der oberen Extremität ist stark durch die Funktionalität dieser komplexen Gelenkkette geprägt. Es zählt vor allem das Bewegungsausmaß, das für die Aktivitäten des täglichen Lebens notwendig ist. Durch die lange erhaltene Beweglichkeit an Ellbogen- und Schultergelenk erfolgt oft zu spät die Therapie eines inzwischen destruierten Gelenkes.

Schultergelenk

Die Therapie der rheumatischen Schulter richtet sich weniger nach dem ossären Destruktionsgrad als vielmehr nach dem Zustand der Rotatorenmanschette, so daß dem Ultraschall und der Magnetresonanz eine wesentliche Diagnoseoption zukommt. Die frühe Therapie mit arthroskopischer Synovektomie und vor allem Bursektomie subakromial ist wenig invasiv und praktisch sofort mobilisierbar. Die offene Synovektomie stellt bei notwendiger Rekonstruktion von Rotatoren- oder Bizepssehne das Mittel der Wahl bis zum Röntgenstadium Larsen 3 dar. Die Endoprothese beim RA-Patienten hat eine frühe Indikation, um ähnlich wie beim Kniegelenk nachfolgende Sehnendefekte zu vermeiden. Die Schulterprothese bei RA stellt auf Grund der häufig destruierten Pfanne fast immer eine Hemiprothese unter Verwendung einer Pfanne dar. Bei massiven Rotatorenmanschettendefiziten sind auch den Subacromialraum ausfüllende Duokopfprothesen denkbar.

Ellbogengelenk

Die lange erhaltene Flexions/Extensionbewegung führt meist erst sehr spät zu einer operativen Therapie in dieser Region. Die Frühsynovektomie stellt - obgleich wünschenswert - eine Ausnahme dar. Häufiger ist die Spätsynovektomie (Röntgenstadium Larsen 3 und später), bei welcher eine Resektionsarthroplastik des Radiusköpfchens und neben der Synovektomie des Gesamtgelenkes auch eine Abtragung oder Glättung von Osteophyten und einer Ulnarisdekompression und Nervenverlagerung durchgeführt wird. Bei Vorliegen von Instabilität oder subjektiv massivem Kraftverlust ist die Ellbogengelenksprothese indiziert.

Handgelenk und Hand

Die Veränderungen der Hand und des Handgelenkes sind in der Regel offensichtlich und entsprechen meist der Aktivität der Grunderkrankung. Das Ausmaß der Deformität ist jedoch nur selten ein Indikator für die Funktionseinbuße. Der kosmetische Aspekt, die subjektive Erwartung und die objektiven Kriterien stehen oft in Widerspruch. Ziel jeglicher Therapie an der Hand ist die Erhaltung oder Wiederherstellung von Funktion sowie Beseitigung von Schwellung und Schutz vor zu erwartender muskulärer Imbalance und Gelenksinstabilität. Gerade in der Gruppe der RA-Patienten ist Erfahrung mit der Erkrankung und den spezifischen Veränderungen der Pathomechanik essentiell und limitiert die Behandlung mehr als in anderen Regionen auf Spezialisten, die über die Erfordernisse der Handchirurgie hinaus die Gesamtheit der Gelenkkette der oberen Extremität berücksichtigen. An der Volarseite der Hand sind es vor allem Tenosynovektomien, die Sehnenrupturen oder Tendovaginitis stenosans in jedem Krankheitsstadium unterbinden helfen. Des Weiteren ist die Dekompression des Nervus medianus mit der Synovektomie früh indiziert, um motorische Defizite zu verhindern.
Meist sind Weichteilkorrekturen und Sehnenverlagerungen gleichzeitig mit Synovektomien erforderlich. Gerade die frühe OP im Handgelenksbereich mit Synovektomie und Verstärkung der dorsalen Kapsel durch subtendinöse Verlagerung des Retinakulum extensorum kann Destruktion, Instabilität und Handdeformität verhindern. In Abhängigkeit vom Destruktionsgrad muß diese Operation mit Ulnaköpfchenresektion oder radiolunarer Arthrodese kombiniert werden. Ersteres Verhindert eine Sehnenruptur im Bereich des luxierten Ulnaköpfchens, zweiteres unterbindet eine weitere Luxation des Karpus nach ulnar und volar unter Erhaltung einer Restmobilität. Bei spätem Behandlungsbeginn oder stark progredienter Destruktion (Larsen 4 + 5) bleibt nur die Arthrodese des Handgelenkes für die spezifische Techniken mit Platte oder intramedullär mit Hackenmarknagel. Entscheidend ist beim RA-Patienten die Funktionsstellung der Hand in Neutralposition oder - bei beidseitiger Notwendigkeit der Versteifung - eine Seite sogar mit leichter Ulnar- und Palmarflexionsstellung, um Verrichtungen wie Essen, Kämmen, Waschen und die Toilette selbständig zu ermöglichen. Die Rekonstruktion rupturierter Sehnen erfordert eine dynamische Nachbehandlung mit Quengelschienen und Betreuung durch die Ergotherapie.
Die klassischen Veränderungen der Langfinger mit Luxation der Grundgelenke und Knopfloch- (Flexionskontraktur der PIP- und Überstreckung der DIP-Gelenke) oder Schwanenhalsdeformitäten (in Überstreckung fixiertes PIP- und in Flexionskontraktur stehendes DIP-Gelenk) können je nach Grad der Veränderung durch alleinige Weichteileingriffe durch Sehnenverlagerung und Synovektomie oder durch Implantation von Kunstgelenken Behandlung finden. Die verwendeten Kunstgelenke sind in der Regel semiflexible Silikonprothesen, die eingeschränkte Mobilität, aber notwendige Stabilität bieten. 
Alle Operationen an der Hand müssen mit der Daumenfunktion korrelieren. Der Verlust an Stabilität durch Luxation im Grundgelenk oder Sattelgelenk und Destruktion des IP-Gelenkes kann zu massiver funktioneller Verkürzung führen, so daß Stabilisierung und Längenerhalt zu Arthrodese mit oder ohne Knocheninterposition an erster Stelle der Behandlungsmöglichkeiten stehen. Bei Luxationen im Sattelgelenk kann ein Trapeziumersatz durch ein Silikonimplantat erforderlich werden, damit die Greiffunktion wieder hergestellt werden kann.

Halswirbelsäule

Die Dichte an Gelenken erklärt das gehäufte und frühe Auftreten von Veränderungen an Händen, Füßen und auch Halswirbelsäule, wo vor allem der Bereich C1/2 pathognomonisch betroffen ist. Die durch Pannus hervorgerufene Gelenkszerstörung verbunden mit der Destruktion des Ligamentum anulare und des Dens epistrophei führen zu einer Instabilität des Segnmentes C1/2 das mit einem primären Horizontalgleiten bis hin zu einem sekundären Vertikalgleiten (Drehkippbewegung) verlaufen kann. Die Folge ist eine Myelonkompression mit Tetraplegie oder Atemstillstand bei Kompression des Hirnstamms durch die Densspitze bei Eintritt ins Foramen magnum. Die Stabilisierung durch Arthrodese von C1 oder Occiput bis C2 stellt unter Knochenanlagerung und vorheriger Reposition die Operation der Wahl dar.
Zusammenfassend muß man feststellen, daß nur die Kooperation der verschiedenen, mit RA befassten Gruppen zum erwünschten Therapieziel führen kann. Die Operationen beim Patienten mit RA sind in der Regel planbar (siehe Tab.3), aber die Notwendigkeit zum Akuteingriff (siehe Tab.2) ist auch hier gegeben und sollte in der Diagnostik Berücksichtigung finden.

ABBILDUNGEN UND TABELLEN